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Good For A Girl?

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von Sandra Krampelhuber

"Every time somebody comes to me with a compliment and says: You are good for a girl, I think that's not a compliment. I think it's an insult. Does it mean that every single man out there is better than I am? That can't be, I've heard them. And what does it mean? Because I am a girl, because I am good for a girl, does that mean I am not really good, just for a girl? I don't get it. I don't understand why that needs to be stuck in there, this whole female thing."

Besser als Tanya Stephens hätte das wohl kaum jemand ausdrücken können – das, wogegen nicht nur jamaikanische Musikerinnen tagein tagaus ankämpfen müssen, das, was selbst im 21. Jahrhundert immer wieder zum Thema gemacht werden muss: Die von Vorurteilen belastete Wahrnehmung, wenn es um Frauen on stage geht.

Doch die jamaikanischen Künstlerinnen sind gut darin, sich gegen geschlechtsspezifische Ungleichheiten zur Wehr zusetzen und abwertenden Komplimenten wie "good for a girl" lautstark entgegenzutreten. Immer mehr Musikerinnen schaffen durch Stärke, Intelligenz, Professionalität und Humor den Weg ganz nach oben. Dass sich dieser meist länger und steiniger gestaltet als der ihrer männlichen Kollegenschaft, ist kein Geheimnis und im Kontext eines männlich dominierten internationalen Musikbusiness zu verstehen.

Emanzipatorische Räume

Seit Jahrzehnten erobern Reggae und Dancehall den Globus, doch glaubt man zahlreichen, vor allem westlichen Medienberichten, dann sind die Inhalte insbesondere der Dancehall-Musik nichts weiter als homophob, Gewalt verherrlichend und sexistisch. Durch diese häufig unhinterfragten und eurozentristischen Sichtweisen werden Frauen in der jamaikanischen Dancehall-Kultur von Außenstehenden oftmals in der Opferrolle gesehen.

Doch Dancehall ist mehr als Musik, es ist ein komplexes System basierend auf Codes und Verhaltensweisen, die bei bloßer oberflächlicher Betrachtung nicht verstanden werden können. Ein zentrales Vorurteil ist wohl Sexismus, doch ist dieser keinesfalls größer oder kleiner als andernorts. Carolyn Cooper von der University of the West Indies sieht in der starken Sexualisierung der jamaikanischen Dancehall sogar einen emanzipatorischen Aspekt: "What sometimes seems as hatred of women is actually a celebration of the female body. (...) The black female is not really central in discourses of beauty even now in the 21st century. But Dancehall is one of he spaces where women with ample bodies can feel that they are sexy. I think that's wonderful. It's an emancipatory space."

Neubestimmung im Feld Dancehall

Aus weiblicher Perspektive bedeuten diese Orte eine Gegenwelt zur konservativen, patriarchalisch geprägten jamaikanischen Öffentlichkeit. Jamaikanische Dancehall-Lyrics drehen sich zum Teil um sexuelle Inhalte – die sogenannten "Slackness Lyrics". Die weibliche Sexualität wird dabei in den weiblichen wie männlichen Texten zum Hauptthema. Geht es in den Texten der männlichen Deejays eher darum, Dominanz über die Frauen und ihre Sexualität zu erlangen, versuchen die Texte ihrer Kolleginnen diese teilweise zu karikieren und fordern sexuelle Selbstbestimmung. Positionen und Rollenbilder werden im "Feld Dancehall" neu bestimmt.

Frauen bleiben nicht länger passive Objekte für männliche Wünsche und Fantasien, sie verleihen vielmehr ihren eigenen sexuellen Wünschen Ausdruck. Stereotype Geschlechterrollen werden widerlegt, bestehende Gender-Normen in der breiten jamaikanischen Gesellschaft dadurch herausgefordert und bedroht.

Inhaltliche Vielfalt

Besonders deutlich wird dies in den immer wieder neu erfundenen Dance Styles in der jamaikanischen Dancehall. Die sexuell äußerst expliziten Tanzstile haben im sogenannten "Daggering" ihren einstweiligen Höhepunkt gefunden. Dancehall-Queen Keiva the Diva bezieht dazu Stellung, sie macht klar, dass diese viel kritisierten und pornografisch anmutenden Tänze wie ein Schauspiel zu betrachten sind: "Dancing for Jamaicans is everything ... Daggering for us it's a slang and it's a dance. If you're a hairdresser, do hair. If you're a dancer, dance. Those who want to ban it don't understand. It's dancing, it's fun."

Diese sexuell expliziten Ausformungen sind allerdings nur ein kleiner Teil des inhaltlichen Spektrums in der Reggae- und Dancehall-Kultur. Im Sinne etwa der "Conscious Lyrics" verkörpern jamaikanische Musikerinnen auch die Rolle von Ratgeberinnen, Wegweiserinnen und Hoffnungsträgerinnen. Viele nehmen ihre Inspiration aus dem Alltagsleben, so wie die großartige Lady G, eine der ersten Dancehall-Artists Jamaikas: "I might see a friend going through a situation and that inspires me to do a song. I really focus on mainly female issues, on topics on relationships, I'm trying to tell the females: Be strong, do good, don't try to be like a man, cause we can't. I try to uplift the females. I don't go ex-rated. If I'm talking about a relationship or love making I might do in a suggestive way where it might be humourous, but not in an outrageous style."

Jamaikanische Musikerinnen wie Lady G, Queen Ifrica, Tanya Stephens oder Macka Diamond – um nur einige zu nennen – haben der Welt bewiesen, dass sie gut sind und jede Menge Talent haben. Wie manche ihrer männlichen Kollegen auch fungieren sie oft als moralisches Gewissen der jamaikanischen Gesellschaft und stellen eine Art Regulativ in einem von vielen sozialen Ungerechtigkeiten geprägten Staat dar.

Filmquellen

"Queens of Sound – A Herstory of Reggae and Dancehall", Österreich 2006, Regie: Sandra Krampelhuber
"Hit Me With Music", Jamaica 2010, Regie: Miquel Galofré

Sandra Krampelhuberbegann schon früh, sich für sogenannte Black Music und die kulturellen Strömungen Afrikas und der afrikanischen Diaspora zu interessieren, was durch ihr Studium der Ethnologie, Sozial- und Kulturanthropologie weiter vertiefte wurde. Im Jahr 2004 brach sie nach Kingston, Jamaika auf, um die zu wenig beachtete weibliche Seite der jamaikanischen Reggae-und Dancehall-Kultur zu untersuchen. Ihr daraus resultierender erster Dokumentarfilm "Queens of Sound – A Herstory of Reggae and Dancehall" wurde mit internationalen Festival-Screenings belohnt. Es folgten Reisen nach Dakar, Senegal und die Demokratische Republik Kongo, immer mit dem Fokus auf die Musik-, Kunst- und Kulturproduktion des jeweiligen Landes. Angetrieben von ihrer Musikleidenschaft und ihrem Drang, auf die sozialen Hintergründe unterschiedlicher Musikrichtungen zu blicken, initiierte und kuratierte sie 2010 in Linz das erste KAPU-Filmfestival, mit Dokumentarfilmen zu Musik aus Afrika und der afrikanischen Diaspora. 2012 feierte das Festival unter ihrer kuratorischen Leitung erfolgreich seine dritte Auflage. 2012 hat sie auch die zweite Ausgabe des internationalen dreitägigen Festivals "Treffpunkt Afrika #2 – Survival of the Hippest? Urban Art and Culture in Africa" der Stadtwerkstatt Linz kuratiert und organisiert. Derzeit arbeitet sie an einem Dokumentarfilm über die junge Kunst- und Kulturszene in Dakar.