crossover

Resist! Resist! Raise up your fist!

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von Kim Carrington

Raschelnde schwarze und pinkfarbene Pompons und farblich passende Outfits samt Schnurrbärten und schrillen pinkfarbenen Perücken, die das Spiel mit Genderrollen reflektieren, erzeugten eine "karnevaleske" Atmosphäre. Sie gelten jedoch zugleich als Warnung, dass statt Jubelrufen eine besondere Kundgebung von politischen Forderungen als Performance kommen würde.

Irritierende Sichtbarkeit
Radical CheerleadersRadical Cheerleaders

Wir schaffen Irritationen und wir provozieren mit unserem Dasein, mit unserer Sichtbarkeit und mit unseren Sprüchen. Die Radical Cheerleaders von maiz verschieben Grenzen und bekämpfen mit Ironie vorherrschende Repräsentationen mit etwas, das im Kontext von politischen Demonstrationen unerwartet ist. Durch die Kooptation der klassischen Form von Cheerleading wird politische Aktion als kreative Form von Straßenprotest erfasst.

Somit demonstrierten wir Migrantinnen - z.B. in Wien bei "AUS! Aktion Umsetzung. Sofort" am 19. März 2011 - gleichzeitig für unsere politischen Rechte in Österreich und wir demonstrierten unsere Entschlossenheit als Protagonistinnen einer antirassistischen feministischen Öffentlichkeit. Bei der Demo anlässlich des hundertsten Jubiläums des Internationalen Frauentags machen wir einen öffentlichen Aufschrei über die Situation von Migrantinnen in Österreich. Von Echogesang über Bleiberecht und Prekarität von Migrantinnen, die in Österreich als Sexarbeiterinnen, Pflegerinnen und Reinigungskräften arbeiten, bis hin zu einer Verarschung der rassistischen Integrationspolitik in Österreich traten die Radical Cheerleaders von maiz als laute (im wahrsten Sinn!) Protagonistinnen auf. In einer Kooperation zwischen Fiftitu% - Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur OÖ und maiz wurden Pompons gebastelt, Sprüche in einem kollaborativen Prozess kreiert und Schritte geprobt, um als Alliierte an der Demo der 20.000 Frauen teilzunehmen.

Doch als Migrantinnen zielen und zielten wir auf einen Feminismus jenseits der Mehrheitsösterreicherin aus der weiß-europäischen Mittelschicht. Mit dem Spruch: "Resist! Resist! Raise up your fist! Rassismus, Sexismus. Raise up your fist!" wollten wir die Intersektionalität von Sexismus zum Ausdruck bringen. Denn Sexismus ist eng mit anderen Formen von Gewalt und Unterdrückung wie Rassismus und Diskriminierungen aufgrund von Klasse, Bildung, sexueller Orientierung, Aufenthaltsstatus usw. verzahnt. "Es geht nicht darum, dass einige Frauen zusätzlich diskriminiert werden, sondern dass Rassismus die Beziehungen auch unter Frauen strukturiert. Durch die Nichtwahrnehmung der ökonomischen, politischen und sozialen Unterschiede unter Frauen wird jedoch der herrschende Status quo reproduziert", wie Benin Özlem Otyakmaz von FeMigra - Feministische Migrantinnen (Frankfurt) das beschreibt.

Sprechen und schreien

Radical CheerleadersRadical Cheerleaders
Radical Cheerleading fördert partizipative Kulturproduktion, die Wissen schafft und erlebbar macht. Abseits der hegemonialen Sprache werden in unseren Sprüchen verschiedene Sprachen eingesetzt, um alle Stimmen zu schätzen und damit eine Sprache des Widerstands zu ermutigen.

Aber wir sprechen nicht. Wir schreien. Wir schreien, weil wir bleiben wollen. Wir schreien, weil wir es satt haben, dass uns unser Wissen, unsere Erfahrungen und unsere Bildung aberkannt werden. Wir schreien, weil wir die gleichberechtigte Beteiligung von Migrant_innen am politischen, kulturellen und sozialen Leben sowie ihre Einbindung in politische Entscheidungsprozesse fordern. Wir schreien, weil wir empört sind!

Durch Radical Cheerleading fand der Aufschrei als Aufschrei von handelnden und kulturschaffenden Subjekten große Resonanz. Es ging dabei nicht nur bloß darum, die Botschaften hörbar zu machen, sondern es ging vielmehr darum, einen Prozess der Bewusstseinsbildung der Migrant_innen und den Prozess der Ermächtigung sowohl auf einer individuellen als auch einer kollektiven Ebene in Gang zu setzen.

Die Arme schwebend in der Luft (wie Bäume …), summen wir und stimmen einen Gesang auf Spanisch an, der nach einem idyllischen Schlummerlied klingt: "Somos malas mas podemos ser peores!" Als wir die deutsche Übersetzung mit schrillen und grotesken Stimmen schreien - "Wir sind so arg! Es geht noch ärger ... ÄRGER! ÄRGER! ÄRGER! ÄRGER! ÄRGER! ÄRGER! ÄRGER!" -, schalten wir dann plötzlich um: Unser Verhalten und unser Ton ändern sich schlagartig. Durch dieses gemeinsame Geschrei - schockierend und gleichzeitig befreiend - schufen wir Widersprüche, erzwangen Änderungen und leisteten Widerstand

Kim CarringtonGeboren 1964 in Montréal, Kanada. Sie hat Volkswirtschaft (Bachelor of Arts) in Montreal und Social Management in Linz absolviert. Sie arbeitet seit 2003 beim Verein maiz und ist unter anderen in antirassistische und feministische Kulturprojekte aktiv. Sie ist aktives Mitglied von SPACEfemFM-Frauenradio auf Radio FRO in Linz.