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Kinder. Küche. Kämpfe.

Passend zum Schwerpunkt "Kochtopf, Kondom, Klobürste" in der aktuellen migrazine-Ausgabe ein Veranstaltungshinweis:

Noch bis zum 30.6.2010 läuft die Veranstaltungsreihe "Kinder. Küche. Kämpfe. Kritische Perspektiven auf Pflege- und Haushaltsarbeit im internationalen Kontext" in Marburg/Lahn.

Aus dem Ankündigungstext:

Pflege- und Haushaltsarbeit macht den größten Teil der gesellschaftlich verrichteten Arbeit aus, da sie eine der Grundvoraussetzungen für menschliches Leben ist. Trotzdem wird sie immer noch nicht als "echte Erwerbsarbeit" angesehen, obwohl formelle Beschäftigungsverhältnisse in diesem Bereich immer weiter zunehmen und der ursprünglich informelle Charakter dieser Arbeit abnimmt. Dies ist unmittelbar damit verknüpft, dass diese Tätigkeiten von je her als "weiblich" angesehen wurden und immer noch zum größten Teil von Frauen verrichtet werden.

Prekäre Dienstleistungen

Allein in Deutschland gehen Schätzungen zufolge bis zu 2,4 Millionen Frauen einer Beschäftigung in Privathaushalten nach. Dieser Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen umfasst dabei Tätigkeiten wie Putzen, Waschen, Kochen, Kinderbetreuung sowie Alten- und Krankenpflege. Diese Beschäftigungsverhältnisse sind oft sehr niedrig entlohnt und unsicher. Europaweit arbeiten derzeit 8 Millionen Menschen in prekären Beschäftigungsformen, die mit unter 5 Euro pro Stunde entlohnt werden. Die meisten von ihnen sind Frauen. Im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise wird eine zunehmende Prekarisierung von haushaltsnahen Dienstleistungen prognostiziert, da sich der Staat immer weiter aus sozial- und gesundheitspolitischen Belangen zurückzieht.

Migration, Geschlecht und Globalisierung

Ein Großteil dieser Tätigkeiten wird von Migrant_innen verrichtet. Häufig verfügen sie nicht über eine Arbeitserlaubnis und sind jederzeit gefährdet, abgeschoben zu werden. Es kommt oft vor, dass keine "richtigen" Arbeitsverträge ausgehandelt werden und sie demnach keine soziale Absicherung oder Krankenversicherung haben. Ebenso sind diese Beschäftigungsverhältnisse eng an soziale Beziehungen, wie den familiären Zusammenhang, geknüpft, was die "Professionalisierung" dieser Dienstleistungen stark erschwert oder komplett verhindert. Die Angst vor einer eventuellen Abschiebung wird zudem von Arbeitgeber_innen oft als Druckmittel für Lohndumping oder –vorenthaltung genutzt.

Als wissenschaftlicher Gegenstand ist Pflege- und Haushaltsarbeit seit der neuen Frauenbewegung der 70er Jahre stets im Fokus der Frauen-, Geschlechter- und Migrationsforschung gewesen und wird aktuell als Debatte um Care-Arbeit neu diskutiert.

Kinder - Küche – Kämpfe

Die Veranstaltungsreihe hat zum Ziel, sich in Vorträgen, Podien und Filmvorführungen aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema Pflege- und Haushaltsarbeit auseinanderzusetzen.
• Wer leistet Pflege- und Haushaltsarbeit?
• Wer fragt diese Arbeit nach und warum kommt es zu einer erhöhten Nachfrage, diese Tätigkeiten zu formalisieren?
• Wie muss unser Arbeitsbegriff erweitert werden, um Sorge- und Betreuungsarbeit angemessen zu erfassen?
• Welche Auswirkungen hat die mit Pflege- und Haushaltsarbeit zusammenhängende Arbeitsmigration auf die Herkunftsländer?
• Wie organisieren sich (illegalisierte) Migrant_innen, um ihre Interessen zu vertreten?

Care jenseits von Kapitalismus

Dabei wird es nicht nur um die Arbeitsverhältnisse der Betroffenen und ihre Interessen gehen, sondern Ziel ist es, diese Tätigkeiten im Rahmen von gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnissen zu thematisieren. Zentral ist hier auch, einen Ausblick zu schaffen, wie wir uns einen guten Umgang mit Fürsorgearbeit in unserer Gesellschaft vorstellen können und ob dies unter den derzeitigen Gegebenheiten einer krisenhaften, männlich dominierten Marktwirtschaft verwirklicht werden kann. Oder sich vielmehr der neoliberal organisierte Kapitalismus und eine geschlechtlich hierarchisierte Arbeitsteilung von Pflege- und Haushaltsarbeit so sehr bedingen, dass die Bereiche Arbeit und Leben grundlegend anders gedacht werden müssten, als das derzeit der Fall ist.

Programm im Juni:

Mi, 16.6.2010, 20 Uhr
Film: Import/Export (135. Min/ Deutsch sowie Russisch und Slowakisch mit deutschen Untertiteln)
Ort: Capitol in der Biegenstraße 8, 35037 Marburg

Do, 17.6.2010, 18 Uhr
Vortrag: Transnationale und lokale Organisierungsprozesse und die geplante ILO-Konvention "Decent Work for Domestic Workers"
Helen Schwenken (Uni Kassel)
Ort: Orientzentrum in der Deutschhausstraße 12 (Hörsaal 00A26), 35037 Marburg

Mi, 30.6.2010, 20 Uhr
Podium: Lebensbedingungen, Interessenvertretung und Selbstorganisierung illegalisierter Care-Beschäftigter
Ort: Orientzentrum in der Deutschhausstraße 12 (Hörsaal 00A26), 35037 Marburg

Alle Veranstaltungen sind kostenlos.

Organisiert von AG Care, Arbeitsgemeinschaft für gewerkschaftliche Fragen Marburg und Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t.
Weitere Infos: http://care.blogsport.de