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Ein Brief für Lili

Liebe Lili,

leider bist du nicht 2009 hier her gekommen! Als Linz die Europäische Kulturhauptstadt war, gab es viele unglaublich interessante und, na ja, noch unglaubliche uninteressante Projekte.
Ich beschreibe dir kurz welches mein Lieblingsprojekt war; es hieß In Situ und hatte den Nationalsozialismus in Linz zum Thema.

Zuerst bin ich auf die, in den Fußgängerzonen geschriebenen Notizen, aufmerksam geworden und sofort habe ich mich dafür interessiert. Erstens weil dieses Projekt auf wahren Geschichten beruht und Zweitens, weil ich tagtäglich über viele Schauplätze und Tatort der Nazizeit hier in Linz gehe.

Es ist so ein komisches Gefühl durch die Straßen zu gehen, die schönen Gebäude anzuschauen und sich gleichzeitig daran zu erinnern, dass hinter den kalten Mauern dieser schönen Stadt das Böse so aktiv war.

Zum Beispiel an der Marienstraße gibt es ein leckeres afrikanisches Restaurant, Malaika, welches ich oft besuche. Durch diese Straße gehe ich auch mindestens drei Mal pro Woche zum Supermarkt. Essen und Leben gehört also zu den Gründen, wieso ich durch die Marienstraße gehe…

Genau in dieser Straße auf Nummer 8, hat Hr. Anton A. gearbeitet, der Abteilungsleiter bei der Stadtverwaltung war und die Exekution zweier „Ostarbeiterinnen“ wegen Milchdiebstahls als unmenschlich kritisiert hat.

Dann wurde er zum Tode verurteilt und erschossen.

Wie du siehst, hatte die Marienstraße also schon lange vorher eine Bedeutung zwischen Essen und Leben.

Seitdem ich die Anmerkung auf der Fußgängerzone der Marienstraße Nr. 8 gelesen habe, hat diese Straße noch eine andere Bedeutung für mich: Menschlichkeit.

Gerade in der grauslichsten Zeit der deutsch-österreichischen Geschichte trauten sich doch Menschen sich gegen dieses unwürdige System zu wenden.

Natürlich wusste ich schon vorher, dass es Widerstand gab. Aber es gibt ein besonders Gefühl, wenn man das Gebäude, das eine Verbindung mit den WiderstandskämpferInnen hat, sehen kann. Es ist so etwas wie eine Gemeinschaftserklärung, eine Zugehörigkeit der Meinung, eine Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden. Ich grüße Hr. Anton A. jedes Mal, wenn ich vorbei gehe!

Und wenn du mal nach Linz kommst, wird es mir eine Ehre sein ihn dir mittels seiner letzten Arbeitsstelle vorzustellen.

Bleib in Frieden,

Dan