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So wehrt sich Migrant*innen-Organisation maiz gegen Schwarz-Blaue Kürzungen

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von Silvia Schröcker
Interview mit Luzenir Caixeta

mosaik: maiz ist eine Selbstorganisierung von Migrant*innen. Was ist das Besondere an eurer Organisation?

Luzenir Caixeta: Wir verstehen Herausforderungen und Überforderungen in unserem Alltag immer als politische Fragen. Im Moment erleben wir zum Beispiel einen extremen Abbau des Sozialsystems. Migrant*innen sind in dieser Situation besonders armutsgefährdet und noch stärker als sonst mit den rassistischen Deutungen und Strukturen in dieser Gesellschaft konfrontiert.

Das ist es, was wir tagtäglich in der Beratung und in unseren Kursen von Frauen*, mit denen wir arbeiten, hören. In ihrem Alltag, im öffentlichen Raum, bei Behörden, an unterschiedlichen Orten, an denen sie sich bewegen (müssen), sind diese Verschärfungen derzeit spürbar. Wir erleben diese Verschärfungen als Migrant*innen „am eigenen Körper“ und gleichzeitig als Organisation in Form der massiven Kürzungen, die wir jetzt bekommen haben.

Als Begründung für die Kürzungen wurde vom Land Oberösterreich angeführt, dass eure Zielgruppen „zu spezifisch“ sind. Was sagst du zu dieser Begründung?
Diese Argumentation ist natürlich zynisch. Das Land Oberösterreich sagt damit, dass diese Zielgruppe weniger wert ist. Das ist selbstverständlich eine Form rassistischer Ausgrenzung. Und eine klassistische, wenn man auch die anderen Vereine betrachtet, bei denen gekürzt wurde: Gekürzt wird bei denen, die ohnehin schon prekarisiert sind, etwa bei wohnungslosen Frauen.

Gleichzeitig sind Migrant*innen in einer spezifischen Situation, die eine gewisse Expertise erfordert. Diese Expertise haben andere Beratungseinrichtungen meist nicht. Sie haben auch einfach nicht die Kapazitäten dafür.

Dazu kommt, dass ein zentrales Prinzip unserer Arbeit Selbstermächtigung ist. Wir verstehen uns als feministische und antirassistische Organisation. Auch das ist der Landesregierung ein Dorn im Auge. Deshalb sind wir jetzt unter den ersten, die diese Kürzungsmaßnahmen abbekommen. Wenn man weniger aneckt und sich arrangiert, hat man natürlich bessere Chancen, finanziert zu werden.

Es gibt inzwischen eine große Vorsicht unter den NGOs. Beispielsweise hatten manche Organisationen Bedenken, unsere "Kampagne gegen die Kürzungen" offiziell zu unterstützen, aus Angst vor negativen Konsequenzen. Die Landesregierung deutet klar an: Entweder du machst mit, oder du bekommst von uns nichts. Da gibt es auch keine Verhandlungsbasis mehr, das wird eiskalt durchgesetzt.

Welche Konsequenzen haben die Kürzungen für euch als Organisation und für die Frauen und Mädchen, mit denen ihr arbeitet?
Wir wollen noch nicht hinnehmen, dass die finanziellen Kürzungen sich auch in einer Kürzung unserer Leistungen niederschlagen, etwa durch die Streichung von Beratungsstunden, Kursen oder Projekten für Mädchen.

Auf administrativer und personeller Ebene mussten wir hingegen bereits Kürzungen durchführen. Aber das Gesamtteam ist sehr engagiert. Alle setzen sich dafür ein, dass wir diese Phase überwinden. Vor allem versuchen wir momentan, alternative Lösungen für die fehlenden Subventionen zu finden, etwa durch das Knüpfen neuer Kontakte und Vernetzungen.

Ihr habt schon angekündigt, dass ihr weiterkämpft. In Oberösterreich gibt es schon länger gute Vernetzungen unter verschiedenen Frauenvereinen. Was passiert in nächster Zeit?
Zum einen gibt es die Kampagne "Frauenland Retten" , die wir gemeinsam mit FIFTITU% und Arge SIE gestartet haben. Sie ist jetzt schon ein Erfolg, viele Menschen haben sich beteiligt. Wir erhalten auch Unterstützung in ganz unterschiedlicher Form, seien es Protestbriefe, Spenden, oder die Bereitschaft, ehrenamtlich bei uns mitzumachen.

Wir bekommen sehr viele Anfragen, wie man sich bei uns einbringen kann: von Menschen, die regelmäßig etwas bei uns anbieten wollen, oder von Leuten, die nicht in Linz wohnen, aber uns in anderer Form unterstützen wollen, durch Korrekturarbeit, Übersetzungen oder ähnliches. Nicht alle Angebote helfen uns, manchmal sind auch die Erwartungen zu unterschiedlich. Wir wollen keine ehrenamtlichen „Helfer*innen“, sondern Leute, die mit uns gemeinsam kämpfen, unsere politischen Ansätze teilen und nicht in eine paternalistische Rolle kommen.

Wie kann maiz sonst noch konkret unterstützt werden?
Wir sind immer dankbar, wenn Leute, die eine bestimmte Expertise haben, sich mit uns vernetzen. Wir freuen uns über Tipps, wo Partnerschaften möglich sind, zum Beispiel im Rahmen von gemeinsamen Forschungsprojekten an Universitäten. Oder Projektförderungen, die zu maiz passen. Wir bekommen immer wieder solche E-Mails.

Es tut gut zu wissen, dass Leute nicht nur an uns denken und sagen: „Schade, dass ihr in dieser schwierigen Situation seid“, sondern auch mitdenken, handeln und partizipieren wollen.

Eine tolle Möglichkeit selbst aktiv zu werden, besonders für Menschen mit eigener Migrationserfahrung, ist migrazine. Das ist ein Online-Magazin, das wir derzeit wieder neu aufbauen, und für das wir junge Autor*innen suchen. Gerade in der derzeitigen politischen Situation kann so ein Medium, bei dem „gegen hegemoniales“ Wissen und künstlerische Ausdrucksformen einen Raum haben, sehr spannend sein. Am 20. und 23. Juni planen wir außerdem größere Soli-Veranstaltungen mit Diskussionen und Beiträgen von Künstler*innen. Auch da wäre es natürlich toll, wenn Leute Lust haben, mitzuorganisieren.

Wichtig ist uns jedenfalls: Wir wollen in Reaktion auf die Kürzungen nicht einfach Geld sammeln, sondern neue Räume für rassismus kritische, politische Diskussionen und gemeinsames Handeln aufmachen.




Interview: Silvia Schröcker
Das Interview wurde am 8.März 2018 auf Mozaik-blog.at veröffentlicht.
Silvia Schröckerist Politikwissenschaftlerin und arbeitet bei LEFÖ – Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen.
Luzenir Caixetaist Mitbegründerin von maiz - Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen in Linz, wo sie für die Koordination der Beratungsstelle, Sex & Work und für den Forschungsbereich zuständig und als Beraterin tätig ist.