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Rezension des Filmes Widerstandsmomente

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von Natasha Bobb
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© Jasmin Trabichler
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Widerstandsmomente von Jo Schmeiser ist ein Film, der Auflehnung bejubelt und infolgedessen auch eine Hommage an Menschen ist, die sich für Gerechtigkeit einsetzen. Er erinnert uns daran, dass auch in Zeiten der Aussichtslosigkeit immer gekämpft wurde. Nicht zu handeln hätte unter Umständen bedeutet, das Leben aufzugeben. Sei es das eigene Leben oder das Leben anderer. In diesem Sinne können die Zuseher*innen mit Bewunderung Worte von Frauen* hören, die während des Nationalsozialismus gegen das Regime kämpften oder auch Zeitzeuginnen* kennenlernen, die während der argentinischen Diktatur im Gefängnis waren. Ihre Stimmen verdeutlichen stets, dass es sich lohnt, gegen Diskriminierung und Willkür anzukämpfen und zwar gerade dann, wenn eine Veränderung utopisch scheint. Eine der Stimmen gehörte Anna Čadia, die sich unerbittlich für politisch Verfolgte einsetzte und dann selber knapp dem Tod im Vernichtungslager entkam.  

Beeindruckend hebt der Film mit einzelnen Stimmausschnitten den Mut der Frauen* hervor und bringt aber gleichzeitig die Angst unter der viele lebten zum Ausdruck. Die portraitierten Frauen* wehrten sich gegen Misshandlung, auch wenn die Strafe dafür noch unvorstellbar härter ausfiel. Es sind Menschen, die niemals den Willen aufgaben, aus dem Kreislauf der Unterdrückung und Erniedrigung auszubrechen.  

Wenn wir durch den Film in die Vergangenheit blicken, dann scheint uns der Widerstand gegen das herrschende System fast unausweichlich. Es scheint nahezu absurd, sich der Tyrannei und Gewalt des Nationalsozialismus unterzuordnen. Doch dann wird eine Linie in die Gegenwart gezogen und die Ungerechtigkeiten der heutigen Zeit werden uns vorgeführt. Geschichten von Geflüchteten und migrierten Frauen* erzählen von Diskriminierung und lenken die Aufmerksamkeit auf das Konzept der Sicherheit, wem die Sicherheit gewährt wird und wem nicht. Gergana Mineva erzählt von ihren Erfahrungen in ihrer langjährigen Arbeit in der Organisation maiz und das Kollektiv. Sie unterstützt Frauen mit Migrationsbiographie, zum Beispiel indem sie sich gemeinsam ein Stück öffentlichen Raum aneignen. Ihre Haltung ist solidarisch und verantwortungsvoll. Sie kann sich ein Leben ohne politischen Widerstand nicht vorstellen. In diesem Zusammenhang wird Selbstverteidigung auch als ein notwendiges Widerstandsinstrument festgehalten. Wir sehen Kämpferinnen, die Abschiebungen anfechten. Frauen, die die Unmenschlichkeit der Asylgesetze in Frage stellen. Unterschiedliche Organisationen unterstützen Menschen, die selbst keine Rechte haben. Diese Kollektive und Einzelpersonen machen klar, dass wir es sind, die die Verantwortung dafür tragen, den Staat und dessen Gesetze zu hinterfragen, Missstände aufzeigen und dagegen vorzugehen. Der Film bringt eine Leidenschaft in den Zuseher*innen hervor, welche den Widerstandskampf für die Machthabenden so gefährlich macht.  

Widerstandsmomente ist nicht nur ein Aufruf zum Protest, sondern auch zur Solidarität. Denn immer wieder betonen die Stimmen, die wir im Film hören, dass sie nicht durchgehalten hätten, gäbe es nicht die Anderen, die stets zur Seite standen und ermutigten. Sei es in der aussichtslosen und brutalen Umgebung der Gefangenschaft oder in einer Gemeinschaft, die sich gegen Unrecht einsetzt. Jo Schmeiser hat es geschafft, dieses Gemeinschaftsgefühl und den Zusammenhalt der Widerstandskämpfer*innen auf der einen Seite als etwas selbstverständliches darzustellen und auf der anderen Seite als etwas, das viel Kraft und Energie abverlangen kann. Gisèle Guillemot erzählt von Momenten, in denen nur durch den Zusammenhalt das Menschsein in der Gefangenschaft erhalten wurde. Der Film zeigt hier sehr schön und auf eine herzlich traurige Weise, wie Zusammenhalt Kraft geben kann und nur dann Veränderung auch möglich ist.  

Die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart wird nochmal deutlich, wenn wir sehen, wie die Frauen*, die heute gegen unmenschliche Gesetze kämpfen, ihre Kraft und ihren Mut aus den Zeitzeugnissen der Vergangenheit schöpfen. Zwei mutige Widerstandskämpfer*innen waren zum Beispiel Rosa Hofmann und Walter Kämpf, die gemeinsam im Soldatenrat waren und Flugschriften verteilten. Diese verbotenen Schriften machten auf die Grausamkeit des Krieges aufmerksam und sollten die Soldaten an der Front zum Desertieren bewegen. Beide wurden vom NS-Regime zum Tode verurteilt. Die Traurigkeit, die wir beim Zusehen empfinden, wenn Menschen zum Tode verurteilt wurden, weil sie sich gegen das Terrorregime wehrten, verbindet sich mit einem seltsamen Gefühl der Zuversicht. Denn die Verurteilten haben nicht nur für ihre Zeit gekämpft, sondern auch für die Unterdrückten der Zukunft.   

Nahaufnahmen von unterschiedlichen Gegenständen, die in Gefangenschaft hergestellt wurden, rücken uns näher an die Geschehnisse der Zeit. Es ist rührend wie diese Einzelfragmente aufbewahrt werden, um die Geschichten der Personen zu ehren, die damit in Verbindung gebracht werden. Die persönliche Vergangenheit ist in diesen einzelnen Stücke verwebt und sie lassen uns fantasieren, wer die Menschen hinter diesen Objekten waren und wie sie lebten. Wie zum Beispiel ein Pullover, der im Gefängnis von einer Mutter für ihr Kind gestrickt wurde. Rúbia Salgado, eine Mitbegründerin von maiz und das Kollektiv erzählt in diesem Zusammenhang von den Kindern, die bei Frauen* immer Teil der politischen Bewegungen waren und verdeutlicht das Frauen*, auch wenn sie öffentlich aktiv sind, die Care Arbeit einerseits nicht abgeben können und durch den Zusammenhalt aber auch nicht müssen. 

Stoische Aufnahmen von Maschinen und automatisierten Arbeitsprozessen untermauern die Stimmen, die im Hintergrund über ihre persönlichen Gründe für ihren Widerstand sprechen. Sie sprechen sich gegen diese, sich wiederholenden Rhythmen aus.  Die schematischen Klänge aus den Maschinen verstärken das Bewusstsein der Macht des Systems, wogegen gekämpft wurde. Manche Bildaufnahmen scheinen zwar auf den ersten Blick fast willkürlich, sind aber genauer betrachtet Symbole von Mut, Hoffnungslosigkeit, Zerstörung und Liebe.  

Andere Aufnahmen wiederum zeigen Klassenungleichheiten auf, indem ganz alltägliche Situationen gefilmt werden. Diese erinnern an die Worte der Frauen, die immer wieder verdeutlichen, dass Rassismus und andere Formen der Diskriminierung so stark in unserer Gesellschaft verankert sind, dass sie uns nur auffallen, wenn wir wirklich hinschauen wollen. Und genau dazu scheint der Film gemacht worden zu sein. Er zwingt uns zum Hinschauen, bringt uns zum Nachdenken und fordert uns zum Handeln auf.  

Hier können Sie mehr über nächsten Filmprojektionen erfahren.

Natasha Bobbstudierte Geschichte und Englisch auf Lehramt und beschäftigte sich in ihrer Diplomarbeit mit der Inklusion von Migrationsliteratur im Fremdsprachenunterricht. Sie beschäftigt sich mit Themen wie Migration, Flucht, Rassismus und Feminismus. Seit 2016 ist sie Mitglied des Theatervereins Zweitgeschichte. 2021 schrieb sie das Papiertheaterstück "Schwarz auf Blau", das 2023 wieder im Bogentheater aufgeführt wurde. Sie ist in der Initiative Black Indigenous Women* of Color in Innsbruck sowie bei der Initiative Schwarze Frauen* aktiv.