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Am Anfang war Eldorado

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von Aileen Dierig

Am 30. Oktober 2009 feiert maiz 15 Jahre und unsere zugrunde liegenden Überzeugungen sind nach wie vor ungebrochen. Auf den ersten Blick gibt es vielleicht nicht gerade viel zu feiern: So wie viele anderen Kulturvereine ist auch maiz weitgehend von "Projekten" abhängig, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, ein Umstand, der unglaublich viel Zeit und Energie auffrisst und wenig bis gar keine Sicherheit bringt.

Doch schon die Überschrift für die Feierlichkeiten — "Am Anfang war Eldorado" — zeigt eindeutig, dass maiz weder um Almosen noch um Mitleid bittet. Mit diesem schlichten Hinweis wird vielmehr die lange, vielschichtige und überaus verwickelte Geschichte der Migration an sich ins Bewusstsein gerufen. Schon der Name "Eldorado" beschwört die vielfältigsten Geschichten von Gier, Verirrungen, Sehnsüchten, Träumen …

Die grausame Geschichte der Eroberung Lateinamerikas durch goldgierige Europäerinnen birgt vielleicht einen Hinweis auf eine mögliche Erklärung der Abschottungs- und Aufteilungsversuche, die Mitbürgerinnen in "Heimische" und "AusländerInnen" einteilen wollen: Es geht um das Wissen der Migrantinnen, um die hässliche Schattenseite des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Migrantinnen, die in der Sexarbeit oder im Pflege- und Haushaltsbereich tätig sind, erwerben nebenbei mitunter umfangreiche Kenntnisse von den Ängsten, den Gemeinheiten, den schmutzigen Geheimnissen, die in diesen Bereichen verdrängt werden. Was würde passieren, wenn sie davon erzählten? Wie wäre die Weltgeschichte anders geschrieben worden, wenn nicht aus der Sicht der "heldenhaften" ErobererInnen, sondern als schonungslose Darstellung der Gier und der Habsucht?

Auch wenn die Stadt aus Gold in Wirklichkeit nie existierte, als Sinnbild steht Eldorado auch für Sehnsüchte und Träume. Die Sehnsucht nach einem guten Leben kann erfüllt werden — nur muss frau sich erst klar machen, was wirklich zu einem "guten Leben" dazu gehört, und dann müssen die Bedingungen dafür gegeben sein. Allein und isoliert lässt sich der Traum niemals realisieren. Wer das mythische Gold für sich allein horten will, findet es nie.

Mit Forderungen wie "Partizipation statt Integration" betont maiz, dass das gute Leben nicht auf Kosten von anderen aufgebaut werden kann. Mit dem Motto "Am Anfang war Eldorado. Europas Suche nach dem Eldorado und die Utopien der Migration" wird ernsthaft nach unser aller Träume gefragt. Lassen sich unsere Sehnsüchte nach einem guten Leben von der Gier irreführen oder bauen wir gemeinsam eine "goldene Stadt", in der alle gut leben können?


Erschienen in: "KUPF-Zeitung", Nr. 131/09; gekürzte Fassung.


Europas Suche nach dem Eldorado und die Utopien der Migration

15 Jahre maiz — 15 Jahre Selbstorganisation, Politik, Bildungs- und Kulturarbeit von und für Migrantinnen. Feiern wir eine Geschichte der politischen Unangepasstheit und des Bemühens, radikale feministische und antirassistische Politik in die Mühen der Ebene zu übersetzen: in die Beratungsarbeit, die Alphabetisierungs- und Deutschkurse, in Streetwork und Kulturarbeit. Feiern wir, dass unsere Utopien den neoliberalen Zurichtungen trotzen!

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