Im Häfen der Ehe
migrazine: Seit wann gibt es "Ehe ohne Grenzen", und was war der Anlass, den Verein zu gründen?
Angela Magenheimer: Als Gruppe gibt es "Ehe ohne Grenzen" (EOG) seit 2006, der Verein wurde im September 2006 gegründet. Prinzipiell ist EOG "passiert", und zwar aus persönlicher Betroffenheit dutzender binationaler Ehepaare. Durch die Änderung im Fremdenrecht waren mit 1.1.2006 plötzlich unzählige EhepartnerInnen illegalisiert – allein durch die Tatsache, dass sie nach der Heirat einen Antrag auf Aufenthaltstitel stellen mussten. Dafür verlangte die Fremdenpolizei das Zurückziehen des Asylantrags, was im alten Gesetz nicht vorgesehen war. Einige dieser EhepartnerInnen wurden daraufhin in Schubhaft genommen.
Mit dem Argument der "Vereinheitlichung" wurden die erforderlichen Einkommensgrenzen erhöht. 2005 und davor waren die Sozialhilferichtsätze das Leitmaß, ab 1.1.2006 die Ausgleichszulagen für Mindestpensionen, gleichzeitig durften die Drittstaatsangehörigen nach der Eheschließung nicht mehr arbeiten. Vielen AntragstellerInnen wurde deswegen der Aufenthaltstitel verwehrt. Beziehungsleben und Ehe wurden plötzlich eine Frage des Geldes.
Die binationalen Paare waren fassungslos und wütend, dass ihnen plötzlich ihr Recht auf Familienleben in Österreich verwehrt wurde und verstanden die Welt nicht mehr.
Wie hat sich die Situation zwischen 2006 und dem neuen Gesetz 2010 geändert?
Es gab Fremdenrechtsänderungen am laufenden Band, z.B. die so genannte Bleiberechtsregelung, nach der der humanitäre Aufenthalt neu geregelt werden sollte. Unserer Erfahrung nach ist diese jedoch das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. So zählen langjähriges Familienleben und gemeinsame Kinder so gut wie nicht, und das "geordnete Fremdenwesen" wird über alles andere gestellt.
Einzig für EU-BürgerInnen und ÖsterreicherInnen, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, gab es Dank einer Entscheidung des EuGH Verbesserungen.
Im aktuellen Fremdenrechtspaket ist ein Mindesteinkommen pro Ehepaar festgelegt, wenn EhegattInnen von ÖsterreicherInnen den Aufenthaltstitel erhalten wollen. Wie reich muss ich sein, um als MigrantIn eine/n ÖsterreicherIn heiraten zu können bzw. umgekehrt?
Die erforderlichen Einkommensgrenzen wurden sukzessive erhöht. 2006 waren es noch 1.056 Euro netto, 2010 sind es schon 1.175 Euro netto. [1] Die Gruppe an ArbeitnehmerInnen, die sich ein binationales Familienleben leisten können, wird also immer kleiner.
Wenn Drittstaatsangehörige (noch) nicht illegalisiert sind und zudem die erforderlichen Dokumente vorweisen können (was bei AsylwerberInnen oft eine nicht überwindbare Hürde darstellt), dann ist die Hochzeit in Österreich möglich. Das Problem ist die Antragstellung für den Aufenthaltstitel. Hier wird das erwähnte Mindesteinkommen verlangt. Da die Drittstaatsangehörigen erst ab Erteilung des solchen in Österreich arbeiten dürfen, liegt die finanzielle Verantwortung dafür bei den österreichischen Ehehälften. Das ist für KindergeldbezieherInnen, StudentInnen, Arbeitslose und den vielen ArbeitnehmerInnen, die das auch bei einer Vierzig-Stunden-Woche nicht verdienen, eine Katastrophe. Nicht wenigen Paaren wurde dadurch ihr Eheleben in Österreich unmöglich gemacht, viele wurden zum Auswandern gezwungen.
Welche Forderungen verfolgt "Ehe ohne Grenzen"?
Die Initiative "Ehe ohne Grenzen" fordert den Respekt und den Schutz der Republik Österreich für binationale Familien, die rechtliche Gleichstellung von binationalen mit österreichischen Paaren und die durchgehende Wahrung der Menschenrechte in der Fremdenpolitik dieses Landes.
Gibt es Allianzen mit anderen sozialen Bewegungen bzw. mit der Politik?
Ein wichtiger Teil der Arbeit von "Ehe ohne Grenzen" ist Netzwerken, so ist EOG mit vielen NGOs im laufenden Kontakt. Alleine in fremdenrechtlichen Belangen ist ständiger Austausch unverzichtbar. Viele KollegInnen schicken ihre KlientInnen zu uns zur Beratung und zum Austausch.
Aktuell möchten wir das Netzwerk "Rechte-Chance-Vielfalt" herausheben, und wir unterstützen und begrüßen z.B. die Kampagne "Machen wir uns stark" Allianzen mit politisch Verantwortlichen sind insofern obsolet, da diese das Fremdenrechtspaket und dessen Verschärfungen beschlossen haben. Sollten sich die Großparteien aber jemals zu einer menschenrechtskonformen Fremdenpolitik entschließen, stehen wir jederzeit als ExpertInnen zur Verfügung.
Interview: Cristiane Tasinato
Für Fragen rund um "Ehe ohne Grenzen" und das Fremdenrecht: http://eheohnegrenzen.sosmitmensch.at. Ab 1. Juni präsentiert EOG seine neue Homepage.
Fußnote:
[1] Zuzüglich der Wohnungsmiete, von der wiederum ein Freibeitrag von 250,50 Euro abgezogen werden kann, sowie 85 Euro pro gemeinsamem Kind. Kreditraten und eventuelle Alimentezahlungen schmälern das monatliche Einkommen entsprechend.