Ausgabe 2010/3

Platz da! Migration & Medien

Seit einiger Zeit kommt Bewegung in die österreichische Medienlandschaft: Mehrheits-Medien und die Kommunikationswissenschaft entdecken die Migrant_innen neu – als Produzent_innen und Konsument_innen von medialen Inhalten. Zugleich wächst auch das Interesse an Medien von und für Migrant_innen, nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen. Ein Schwerpunkt über die Möglichkeiten der medialen Selbstrepräsentation für Migrant_innen und die Sackgassen der Diversitätslogik im Medien-Mainstream.

Fokus ^

Zwischen "Medienghettos" und Integrationsimperativ

von Assimina Gouma

Wie die Kommunikationswissenschaft MigrantInnen als "Problem" entdeckte.

Würden MigrantInnen angeben, regelmäßig die "Neue Kronen Zeitung" zu lesen – das Thema "Migration und Medien" wäre für einen großen Teil der Kommunikationswissenschaft gegenstandslos. Dies ist weniger eine provokante These als ein Mittel, um das breite Spektrum an Asymmetrien zwischen Kommunikationswissenschaft und MigrantInnen aufzuzeigen: Zur Diskussion stehen die Widersprüche eines (kommunikations-)wissenschaftlichen Forschungsverständnisses, das mit dem allgegenwärtigen Integrationsdiskurs kokettiert und politisch gefällig ist.

Fallen der Vielfalt

von Miltiadis Oulios

Medien, MigrantInnen, Meinungshoheit: Zieht mit der neuen Diversität in den Redaktionen auch automatisch ein "anderer" Blick ein?

Die Autorin der Berliner "tageszeitung" Gabriele Dietze hat in einem Artikel über die Fernsehsendungen "Deutschland sucht den Superstar" und "Popstars" das schöne Wort von der "emotionalen Staatsbürgerschaft" geprägt. Jugendlichen aus Einwandererfamilien werde diese zwar "auf der Ebene der Ausländergesetze, Fremdenfeindlichkeit und des Unterklassenstatus" oft verweigert. In den Castingshows aber können sie sich ganz normal als ein Teil Deutschlands fühlen.

Jenseits der Kommerzialität: Freie Radios als Sprachrohr

Interview mit Alexander Vojvoda, Radio FRO

Auch zehn Jahre nach ihrer Gründung bieten die Freien Radios einen niederschwelligen Zugang zum Medium und Gestaltungsmöglichkeiten ohne kommerzielle Zwänge. Wie steht es um das Verhältnis zwischen medialer Vielfalt und antirassistischer Praxen? Ein Gespräch über Professionalisierung, symbolische Anerkennung und Beschäftigungschancen migrantischer Radiomacher_innen.

migrazine.at: Die Freien Radios haben sich vor über zehn Jahren ihren Platz in der österreichischen Medienlandschaft erkämpft. In Abgrenzung zum kommerziellen Rundfunk verstehen sich die Freien Radios als "alternatives Medienprojekt" – u.a. wird hier immer wieder auf die starke Präsenz von Migrant_innen hingewiesen. Ist das auch als Teil einer antirassistischen Haltung zu verstehen?

Indvandrer TV – Denmark's first multicultural TV station (english)

von Rui Monteiro

Through access and participation, multiethnic community radio and television represent the diversity of cultures that makes up the modern Danish population.

Indvandrer TV (ITV)/Migrant TV was founded by Rui Monteiro and several ethnic minority organisations in January 1997. ITV is a non-commercial, community TV station, based at the Mediehus in Aarhus City, East Jutland in Denmark. The idea was to produce television that was committed to the ethnic minorities’ causes, and to fight against discrimination and racism in Danish society. The aim was to give ethnic minorities the opportunity to better express themselves and become more visible in the Danish media landscape.

TV for/by "outsiders"

Reality Check #2010

von Vina Yun

Migrant_innen und Medien: Beobachtungen zu einem Phänomen.

Die Repräsentationslogik: Mittlerweile ist auch im Mainstream der Medien der Ruf nach einer stärkeren Präsenz von Migrant_innen zu vernehmen. Als Produzent_innen von Medieninhalten tauchen diese aber weiterhin nur selten auf. Noch immer wird in der Regel mehr über Migrant_innen als von Journalist_innen mit Migrationshintergrund berichtet. Ebenso stellt in kommerziellen wie öffentlich-rechtlichen Medien die Selbstrepräsentation von Migrant_innen eine Ausnahme dar.

Die Sache mit dem Akzent

Interview mit Clara Akinyosoye und Claudia Unterweger und Olivera Stajić

Welche Möglichkeiten halten Mehrheits-Medien JournalistInnen mit Migrationshintergrund offen? Und wie erfolgsversprechend sind die neuen "multikulturellen Nischen" innerhalb des Medien-Mainstreams? Eine Gesprächsrunde mit Clara Akinyosoye von der Initiative M-Media, Olivera Stajić vom Online-Magazin “daStandard.at“ und Claudia Unterweger vom Jugendradiosender FM4.

migrazine.at: Mich würde zunächst eure persönliche Arbeitsbiografie interessieren: Wie seid ihr da hingekommen, wo ihr jetzt seid? Und inwieweit spielt die migrantische Herkunft in eurer beruflichen Karriere eine Rolle?

Crossover ^

Mehr als ein Stück Papier

von PrekärCafé

Warum un(ter)dokumentierte Migrant_innen und ihre Organisierung die Gewerkschaften retten können.

Von Zeit zu Zeit tritt das, was sich für gewöhnlich im Verborgenen abspielt, ins grelle Licht der medialen Scheinwerfer: Extremfolgen von Überausbeutung und Entrechtung. Im Herbst 2010 etwa berichtete ein österreichisches Kleinformat in kurzer Folge gleich über zwei Fälle undokumentierter Arbeit: Das eine Mal wurde ein rumänischer Arbeiter bei Bauarbeiten im Burgenland von einer umgekippten Straßenwalze schwer verletzt, das andere Mal starb ebenfalls im Burgenland ein ungarischer Arbeiter bei der Erntehilfe infolge eines Herzinfarkts.

Arbeit nach Maß?

von Christine Schörkhuber

Das Personalleasing boomt – und dringt als "atypische Beschäftigungsform" auch in "klassische" prekäre Arbeitsfelder von MigrantInnen ein.

Personalleasingfirmen vermitteln Arbeitskräfte in fast allen Berufssparten und Qualifikationsstufen. Besonders bei flexiblen Hilfstätigkeiten ohne besondere Ausbildungserfordernisse, z.B. in der Gastronomie, im Heimservice und im Bau, greifen Unternehmen immer häufiger auf Leasingfirmen zurück.

Du hast Rechte – auch ohne Papiere!

von PrekärCafé

Über gewerkschaftliche Beratungsstellen zu undokumentierter Arbeit in Deutschland.

"Ich dachte, ohne Papiere hätte ich keine Chance. Als sie mir sagten, dass ich auch ohne Papiere mein Recht einfordern kann, war das für mich ganz neu. Ich dachte immer, ohne Papiere geht gar nichts. Anfangs war ich sehr nervös. Jetzt nicht mehr, ich bin viel mutiger geworden. Jetzt sage ich, ich verlange nur, was mir gehört. Ich erwarte nicht, dass mir jemand etwas schenkt. Ich verlange nur, was mir zusteht. Es ist der Lohn für meine Arbeit, die ich bereits geleistet habe." (Ana S.)

Да си (нелегален) чужденец в България (Bulgarisch)

von Ирина Недева

Вече повече от 20 години след началото на прехода към демокрация посткомунистическата държава продължава по инерция да практикува репресивните полицейски стандарти от тоталитарното си минало и по отношение на мигрантите и търсещите убежище. Въпреки, че формално са ратифицирани почти всички международни конвенции и европейски предписания законът за чужденците и практиката на държавните учреждения влизат в разрез с правата на човека …

За Аревик чух на първата по рода си демонстрация в България в подкрепа на имигрантите, която се проведе една мартенска събота, 20 март 2010 г. пред Дома за временно настаняване на чужденци в Бусманци под наслова "Няма нелегални хора".

Von den Kirchenbesetzungen zu den Sans-Papiers-Anlaufstellen

von Salvatore Pittà

Undokumentiert Arbeiten und Organisierung in der Schweiz – ein Einblick.

Die Tradition antirassistischer Unterstützungsgruppen in der Schweiz ist alt. Sie geht zurück auf die Aufnahme politischer Flüchtlinge zu Bismarcks Zeiten, wurde am ehesten in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg thematisiert, erstreckt sich weiter über die Aufnahme von Ungarn-Flüchtlingen 1956 bis hin zu den heutigen Zeiten, in denen Unterstützende sich nicht nur rund um die Beratungsstellen organisieren, die in diesem Text vorgestellt werden.

Den Konsens brechen

Interview mit Christina Rumetshofer und Gergana Schrenk und Luzenir Caixeta

Sexarbeit, bezahlte Hausarbeit, Kranken- und Altenpflege, Kinderbetreuung: Im sog. Care-Sektor sind zu einem überwiegenden Teil Migrantinnen tätig, in vielen Fällen ohne Arbeits- und Aufenthaltspapiere. Um die Situation von undokumentierten migrantischen ArbeiterInnen zu verbessern, müssen ihre Rechte gestärkt werden – nicht so sehr trotz, sondern gerade wegen des "verborgenen" Charakters von Care-Dienstleistungen, wie die Mitarbeiterinnen des autonomen Linzer Migrantinnen-Zentrums maiz erklären.

migrazine.at: maiz leistet seit über 15 Jahren Beratung für Migrantinnen. Einen Schwerpunkt bildet die Beratungstätigkeit für Sexarbeiterinnen. Welche Rolle spielt undokumentiertes Arbeiten in dieser Branche?