blog

Offener Brief: Ausschluss Basta!

Diese Stellungnahme entstand anlässlich der Ergebnisse der Wiener Gemeinderatswahl als Initiative eines Kollektivs von Kulturarbeiter_innen, politischen Aktivist_innen und Forscher_innen. Den Text unterstützten bisher 125 Erstunterzeichner_innen und über 900 weitere Unterzeichner_innen.

Es gibt die Möglichkeit, den Text online zu unterzeichnen: http://ausschlussbasta.wordpress.com


Ausschluss Basta!

Das Ergebnis der Gemeinderats- und Landtagswahl in Wien vom Oktober 2010 setzt ein deutliches rassistisches Zeichen. Ebenso alarmierend wie der Erfolg der rechtsextremen Positionen der FPÖ sind die zahlreichen populistischen Analysen von Politiker_innen, Meinungsmacher_innen und anderen Expert_innen, die unwidersprochen verbreitet werden.

Ob Bildung, Wohnen oder Arbeitsmarkt – Migration wurde und wird in all diesen Lebensbereichen als Problemfeld inszeniert. Es gehört mittlerweile zum guten Ton in der öffentlichen Debatte, über Migration und Migrant_innen als Konfliktquelle zu sprechen. In Österreich herrscht offenbar ein breiter Konsens darüber, dass auf gesellschaftliche und soziale Probleme rassistische Antworten gegeben werden können. Wir stellen uns gegen diesen Konsens!

Der Anspruch, die Debatte zu versachlichen, greift zu kurz. Wir akzeptieren nicht, dass zwar ständig über Migrant_innen gesprochen und über sie Bescheid gewusst wird, sie aber aus Entscheidungspositionen ausgeschlossen bleiben – unabhängig davon, ob sie längst österreichische Staatsbürger_innen sind oder nicht. Ein verheerendes Missverhältnis drückt sich darin aus, dass auch diese Wahl mit dem Thema Migration entschieden wurde, und zwar unter Ausschluss derjenigen, die in Wien leben und hier nicht wählen dürfen.

Längst ist hierzulande eine Klarstellung fällig: Migration bildet unsere Realität. Die Menschen, die hier leben, sind keine Fremden. Die Sprachen, die hier gesprochen werden, sind keine Fremdsprachen. Alle Jugendlichen, die hier leben, sind unsere Jugendlichen. Nach den Ergebnissen der Wiener Wahl wollen wir daher noch weniger als zuvor über Integration reden. Denn bereits das ständige Sprechen über Integration reproduziert ein angebliches Anderssein, stellt Teile der Gesellschaft unter Generalverdacht und übersieht die Vielfältigkeit der Lebensformen. Stattdessen wollen wir soziale und politische Verhältnisse thematisieren, die tagtäglich Ungleichheit zwischen Menschen neu herstellen.

In öffentlichen Debatten werden ökonomische und gesellschaftliche Ausschlüsse mehrheitlich ignoriert bzw. rassistisch umgedeutet. Tatsache ist: Die gegenwärtigen Strukturen schaffen im Bildungsbereich, am Arbeitsmarkt, hinsichtlich politischer Mitsprache oder Selbstorganisierung eine Segregation, durch die Mehrheitsösterreicher_innen bevorzugt werden. Viele Migrant_innen sind vom Wahlrecht ausgeschlossen, es wird verschleiert, wie Migrant_innen der Zugang zu Bildung, Wohnräumen und Arbeitsplätzen, zu öffentlichen Institutionen und anderen gesellschaftlichen Räumen erschwert wird. Islamfeindlichkeit bietet einen wesentlichen Anknüpfungspunkt für mediale Auseinandersetzungen, denn Islamfeindlichkeit wird nicht als Rassismus anerkannt.

Dies geschieht im Kontext einer globalen Umstrukturierung der Wirtschaft, deren negative Effekte vor allem Arbeitnehmer_innen und Menschen mit geschwächten Rechten massiv treffen. Es wird der Versuch unternommen, über das Thema Migration soziale Positionen gegeneinander auszuspielen und Arme und Migrant_innen als unproduktiven Kostenfaktor darzustellen. Stattdessen sollte gegen Verarmung, Prekarisierung und den Verlust sozialer Rechte gekämpft werden, die immer mehr Menschen betreffen.

Migration findet statt. Sie ist eine Selbstverständlichkeit in allen Lebensbereichen. Und nicht nur das: Migrant_innen fordern ihre Rechte ein, Migration ist somit eine emanzipative Bewegung. Das Problem sind jene Politiken, die Armut und Rassismus produzieren.

Wir lehnen entschieden jede Politik ab, die gesellschaftliche Verhältnisse nach einer Kosten/Nutzen-Logik durchrechnet und Teile der Gesellschaft zur Ausschusspopulation erklärt.

Wir fordern eine Arbeitsmarktpolitik, die keine Ausschlüsse produziert, sondern Alle in der Gesellschaft mit einbezieht und fördert.

Wir fordern eine Bildungspolitik, die von der Realität der Mehrsprachigkeit und Transkulturalität in den Kindergärten und Schulen ausgeht.

Wir wenden uns entschieden gegen eine Einteilung in gute und schlechte Migrant_innen, während die Gesetze verschärft und das Recht auf Asyl de facto abgeschafft werden.

Wir fordern, dass alle Menschen, die hier leben, die gleichen Möglichkeiten haben, an der Gesellschaft sowie an politischen Entscheidungen mitzuwirken.

Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der es selbstverständlich ist, dass alle Menschen die gleichen Rechte teilen.

Kontakt: ausschlussbasta@gmail.com

Text unterzeichnen unter http://auschlussbasta.wordpress.com


ErstunterzeichnerInnen:

Mag. Hakan Akbulut, Österreichisches Institut für Internationale Politik

Arif Akkılıç, Jugendarbeiter

Senol Akkılıç, Jugendarbeiter

Riza Algül, Autor

Dr. des. Ilker Ataç, Universität Wien

Sule Attems, bildende Künstlerin, Wien

Dr. Roland Atzmüller, Sozialwissenschaftler, Forba

Mag. Art. Fatih Aydoğdu, Künstler

Gabriele Bargehr, Institut im Kontext

Ass.-Prof. Mag. Dr. Katharina Beclin, Universität Wien

a.o.Univ.Prof.Dr. Joachim Becker, Wirtschaftsuniversität Wien

Konrad Becker, World-Information Institute, Wien

DI Dieter A. Behr, Europäisches BürgerInnenforum

Abdelkader BEN AMOR, Vorsitzender von CIRDE-AUSTRIA, Plattform zur Förderung der Kultur des Zusammenlebens

Mag. Martin Birkner, Redakteur und Mitherausgeber der grundrisse.zeitschrift für linke theorie & debatte

Mag. Maria Cristina Boidi, Koordinatorin LEFÖ

Dr. Manuela Bojadzijev, Humboldt Universität zu Berlin

Lisa Bolyos, Offenes Antirassistisches Treffen, Wien

Paula Bolyos, Politikwissenschaftlerin

Prof. Dr. Ulrich Brand, Universität Wien

Ljubomir Bratic, Philosoph und Publizist, Wien

Univ.Prof.in Dr.in Sabeth Buchmann, Akademie der Bildenden Künste Wien

Murat Buga, AFORA, Akademik Form Atölyesi

Alev Çakır MA, Universität Wien

Veli Çaycı, Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen arbeitsmarktpolitische Betreuungseinrichtung

Mag.a Petja Dimitrova, Akademie der Bildenden Künste Wien, IG Bildende Kunst

Prof. Diedrich Diederichsen, Akademie der Bildenden Künste Wien

Univ.Prof.DDr. Nikolaus Dimmel, Universität Salzburg

Dimitre Dinev, Autor, Wien

Ines Doujak, Bildende Künstlerin, Wien

Karim Duarte, ENARA

Dr.Mag. Ewa Agata Dziedzic, Universität Wien

Doris Einwallner, Rechtsanwältin

Barbara Eppensteiner, okto-TV

Mag. Michael Fanizadeh, Projektreferent VIDC

Dr. Manfred Fraunlob, Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen arbeitsmarktpolitische Betreuungseinrichtung

Univ.Prof.Dr. Heinz Gärtner- Österreichisches Institut für Internationale Politik, Wien

Aram Ghadimi, freier Journalist

Andreas Görg, ENARA-Koordination

Markus Griesser, Universität Wien

Univ. Prof. Dr. Marina Gržinić, Akademie der bildenden Künste Wien

Çiğdem Gülçehre, Dipl. Mediatorin, Senioren- MigrantInnenberaterin, Studentin

Mag. Can Gülcü, Akademie der bildenden Künste Wien, AG Migration und Antirassismus

Dr. Cengiz Günay, Österreichisches Institut für Internationale Politik, Wien

Dr. Hakan Gürses, Universität Wien

Bettina Haidinger, Sozialwissenschafterin, FORBA

Amina Handke, okto-TV

Christoph Hermann, Sozialwissenschafter, FORBA und Universität Wien

Barbara Herzog-Punzenberger, Wirtschaftsuniversität Wien

Prof. Dr. Tom Holert, Akademie der bildenden Künste Wien

Ao. Univ.-Prof. Dr. Otmar Höll, Österreichisches Institut für Internationale Politik - oiip

DSA Judith Hörlsberger Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen arbeitsmarktpolitische Betreuungseinrichtung

Marty Huber - Sprecherin IG Kultur Österreich

Simon Inou, Geschäftsführer M-MEDIA

Ina Ivanceanu, Journalistin und Filmemacherin, Wien

Jasmina Jankovic, Übersetzerin, Wien

Elfriede Jelinek, Schriftstellerin

Bahtiyar Kahraman, Öneri, Österreichische Monatszeitung in türkischer und deutscher Sprache

Bülent Karabulut, ÖGB OÖ

Dr. Jens Kastner, Akademie der bildenden Künste Wien

Therese Kaufmann, eipcp, Wien

Coşkun Kesici – DIDF (Förderation der demokratischen Arbeitervereine)

Kenan Kılıç, Regisseur, Wien

Dr. Cornelia Kogoj, Generalsekretärin der Initiative Minderheiten
Daniela Koweindl, Wien

Univ.-Prof. Christian Kravagna, Akademie der bildenden Künste Wien

Mag.a Andrea Kretschmann, Universität Bielefeld & Institut für Rechts- & Kriminalsoziologie

Dr. Birge Krondorfer, Univ.-Lektorin, Vorstand Frauenhetz

Karin Küblböck, Attac Österreich

Grace Latigo, Künstlerin

Mag. Barbara Liegl, ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit

Nadja Lorenz, Rechtsanwältin, Vorsitzende von SOS Mitmensch

Gastprof. Dr. Isabell Lorey, Universität Wien

Univ. Prof. Dorit Margreiter, Akademie der bildenden Künste, Wien

Univ.-Prof. Dr. Paul Mecheril, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Robert Menasse, Autor

Mag.a Irene Messinger, Universität Wien

Robert Misik, Autor und Publizist, Wien

PD Dr. Monika Mokre, Österreichische Akademie der Wissenschaften

Mag.a Katharina Morawek, Akademie der bildenden Künste Wien - Plattform
Geschichtspolitik, Redakteurin MALMOE

Prof. Carmen Mörsch, Zürcher Hochschule der Künste, Zürich

Mag. Pascal Ndabalinze, Vorsitzender von European Network Against Racism Austria

Petra Neuhold, Forschungsgruppe Kritische Migrationsforschung [KriMi]

Alfred J. Noll, Rechtsanwalt

Stefan Nowotny, eipcp, Wien

Lukas Oberndorfer, Rechtswissenschafter, juridikum (zeitschrift für kritik|recht|gesellschaft)

Dr. Azem Olcay, ÖGB

Mag.a Gamze Ongan, Stimme – Zeitschrift der Initiative Minderheiten und Migrantinnenzentrum Peregrina

Ernst Orhan, Verein alternative Solidarität

Univ. prof. Marion von Osten, Akademie der Bildenden Künste Wien

Ali Özbas, Neues Leben (Türkisch-deutsche Zeitung)

Radostina Patulova, migrazine.at, Online Magazin von Migrantinnen für alle

Dr. Otto Penz, Universität Wien

Mag. Melanie Pichler, Österreichisches Institut für Internationale Politik

Mag. Walter Posch, Direktor VIDC

Jan Pospisil, oiip - Österreichisches Institut für Internationale Politik

Doron Rabinovici, Schriftsteller und Historiker, Wien

Julya Rabinowich, Autorin

Gerald Raunig, eipcp, Wien

Ao. Univ.-Prof. Dr. Christoph Reinprecht, Universität Wien

Arash T. Riahi, Regisseur

Anja Salomonowitz, Filmemacherin, Wien

Aydın Sarı, Betriebsratsvorsitzender des Cafe Schwarzenberg

Univ.-Prof. Dr. Birgit Sauer, Universität Wien

Dr.a Judith Schacherreiter, Universität Wien

Johanna Schaffer, Akademie der Bildenden Künste Wien

Univ. Prof. Mag. MA. Hans Scheirl, Akademie der bildenden Künste, Wien

Dr. Walter Seidl, Kurator

Dr. Wiebke Sievers, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien

Hüseyin Simsek, Schriftsteller

Philipp Sonderegger, Sprecher SOS Mitmensch

Prof. Ruth Sonderegger, Akademie der Bildenden Künste Wien

Mag. Andreas Spiegl, Vizerektor für Lehre und Forschung, Akademie der bildenden Künste Wien

Dr. Georg Spitaler, Universität Wien

Nora Sternfeld, Büro trafo.K, Wien

Marion Stoeger, Wien

Ilija Trojanow, Schrifsteller

o. Univ. Prof. Dr. Bea Verschraegen, Universität Wien

Vlatka Frketić, Verein Diskursiv

Markus Wailand, Filmemacher, Wien

Mag. Martin Wassermair - Tassi Bela, World-Information Institute, Wien

Mag. Beat Weber, Universität Wien

Dr. Markus Wissen, Universität Wien

Baruch Wolski, Kanafani

Dr. Stefanie Wöhl, Universität Wien

Univ.Prof. Dr. Erol Yildiz, Alpen-Adria Universität Klagenfurt

Mag. Dina Yanni, Politologin, Wien.

Vina Yun, an.schläge - Das feministische Monatsmagazin


Text unterzeichnen unter http://ausschlussbasta.wordpress.com

Kontakt: ausschlussbasta@gmail.com